Nicht im Kopf, sondern im Blut! - ME/CFS-Forschung aus Würzburg
01. Mai 2019
"There is something in the (ME/CFS) patient’s serum."
"Es ist etwas im Patientenserum" – das sagt Dr. Bhupesh Prusty. Der Forscher von der Uni Würzburg wurde Anfang April von der US-Gesundheitsbehörde NIH in die USA eingeladen, um bei einer großen biomedizinischen ME/CFS-Konferenz über sein Forschungsprojekt zu berichten.
Warum ich darüber einen Artikel schreibe? Weil ich selbst Teil des Forschungsprojekts bin. Im September 2017 hatte ich Bhupesh Prusty und sein Team an der Uni besucht und dabei gleich auch etwas Blut von mir dagelassen. Und ich habe nicht schlecht gestaunt, als mir ein paar Monate später schon mal erste Ergebnisse von Tests mit meiner Blutprobe gezeigt wurden. Zusammengefasst: Ich trage Killerblut in mir! ;-) Aber mal vor vorne:
Das Experiment
Man nehme gesunde Zellen und gebe das Serum von ME/CFS-Patienten hinzu. Was passiert? Prusty und sein Team beobachteten unter ihrem High-End-Mikroskop folgendes: Die Mitochondrien (die Kraftwerke unserer Zellen) begannen zu fragmentieren. Das heißt, sie wurden mehr oder weniger zerteilt und verloren ihre Struktur.
Warum das so problematisch ist?
Gesunde Mitochondrien besitzen eine lange netzartige Struktur. (Zu sehen auf dem nächsten Foto links - diese grünen bandnudelartigen Teile.) Die Struktur ist wichtig, um ATP zu produzieren – das ist sozusagen die universelle Energiewährung unseres Körpers. Wenn die Mitochondrien fragmentieren und ihre netzartige Struktur verlieren (siehe Foto rechts), können sie nicht mehr richtig arbeiten und auch nicht mehr richtig Energie produzieren - und dann muss die Kathi auf ihre Sofa-Ladestation und Akku nachladen ;-).
Sind Viren der Auslöser?
Bhupesh Prusty geht davon aus, dass Viren wie HHV-6 bei der Entstehung von ME/CFS eine entscheidende Rolle spielen. Denn beim Versuch mit Humanen Herpes Viren (HHV-6) kam es zu den gleichen Fragmentierungen der Mitochondrien wie beim Test mit Serum von ME/CFS-Patienten.
Prusty glaubt, dass Mitochondrien weitaus mehr sind also nur Energieerzeuger – sie spielen auch eine wichtige Rolle dabei, Viren zu bekämpfen. Das können sie aber nur dann richtig, wenn sie gesund sind. Wenn die Mitochondrien fragmentieren, verlieren sie auch ihre antiviralen Eigenschaften. Bhupesh Prusty sieht darin den Grund, warum Viren Mitochondrien als Ziel anvisieren. Sie wollen in der Zelle überleben und verhindern, dass die Zelle ihre antiviralen Eigenschaften steigert.
Das war jetzt mal eine möglichst einfache Zusammenfassung für "Normalos". ;-) Wer tiefer einsteigen will, der kann sich hier den Vortrag von Bhupesh Prusty anschauen (ab Timecode: 03:05:50).
So, und jetzt wird’s nochmal spooky ...
Bhupesh Prusty und sein Team wuschen nach drei Tagen das ME/CFS-Blutserum aus den Zellen – und die legten daraufhin eine verblüffende Transformation hin: Sie erholten sich wieder und reproduzierten ihre längliche netzartige Struktur.
Damit ist klar: Es befindet sich wohl etwas im Blut von ME/CFS-Betroffenen, das die Funktion der Mitochondrien beeinträchtigt und den Stoffwechsel stört. Ähnliche Ergebnisse hatten übrigens auch schon Studien aus den USA und Norwegen gezeigt.
Laut Bhupesh Prusty könnten aufgrund der Ergebnisse Medikamente getestet werden, um damit die unübliche Transformation der Mitochondrien bei ME/CFS-Betroffenen zu stoppen. Ob er seine Forschung in Würzburg allerdings weiterführen kann, ist fraglich – es fehlen die Forschungsgelder. (Stand Februar 2019: Aktuell kann die Forschung weitergeführt werden, es läuft auch eine Spendenkampagne. Wenn Du die Forschung von Bhupesh Prusty und seinem Team unterstützen möchtst, kannst Du hier spenden.)
Was kannst Du aus der Studie mitnehmen
Der Tag, an dem mir an der Uni gezeigt wurde, was mein Blut mit Mitochondrien anrichtet, war großartig. Dass in meinem Körper etwas schief läuft, wusste ich schon lange – aber jetzt war da zum ersten Mal so etwas wie ein objektiver Nachweis. Ich konnte es auf den Fotos direkt sehen. Und es hat mir nochmal sehr deutlich gemacht: Ok, Dein Körper ist krank und Du schadest ihm, wenn Du über Deine Grenzen gehst. Von da an habe ich nochmal sehr viel mehr Rücksicht auf meinen Körper genommen und auf ihn geachtet – und ich hoffe, Du tust das auch!
Du bildest Dir diese Krankheit nicht ein - sie ist real! Und Dein Körper braucht Deine Unterstützung!
Keep Going!
Deine Kathi
PS: Passend zum Artikelthema: An der Uni Stanford wurde gerade ein Biomarker für ME/CFS entdeckt. Bei einem Test hatte sich gezeigt, dass Immunzellen von ME/CFS-Betroffenen Stress anders verarbeiten als bei gesunden Personen. Mithilfe des entwickelten Bluttests könnte die Diagnose möglicherweise künftig leichter gestellt werden.
Kommentare
Yvette Eube vor 2 Jahre
Hallöchen Kathi
Danke für die Nachricht.
Das gibt große Hoffnung.
Liebe Grüße
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Monika Podnecky vor 2 Jahre
Danke!!
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Lisa vor 2 Jahre
Vielen Dank für diesen Artikel. Das gibt ja eine spannende Verbindung zu dem Biomarker, der an der Uni Stanford gerade entwickelt wurde - auf zellulärer Ebene. Liebe Grüsse, Lisa
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Karin vor 2 Jahre
Hallo Kathi
Ich finde deine Seite absolut faszinierend und die Informationen super gut zusammen gefasst.
Es macht Mut!
Meine drei Töchter haben ME/CFS. Meier älteste Tochter seit 12 Jahren. Aber alle drei sind bewundernswerte Kämpfer!
ICh wünsche dir weiterhin viel Kraft! Lass dich nicht unterkriegen!
Liebe Grüße Karin
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Gabi vor 2 Jahre
Hallo liebe Kathi,
Ich bin seit März letzten Jahres betroffen, habe die Diagnose endgültig seit Februar diesen Jahres und finde deinen blog sehr sehr interessant und toll
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Melanie vor 1 Jahr
Liebe Kathi,
Vielen Dank für Deine sehr informative Seite. Bitte weiter so! Bin selbst seit 5 Jahren Mittelschwer an ME erkrankt.
Liebe Grüße Melanie
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